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Wenn außen innen wird: Externe Krisen treffen auf eure Struktur

  • Autorenbild: Nicole Gerecht
    Nicole Gerecht
  • 8. Juli
  • 3 Min. Lesezeit


Viele Teams sind erschöpft. Nicht nur „urlaubsreif“, sondern tief müde. Der Grund? Eine Überlagerung externer Dauerkrisen (Pandemie, Klimawandel, Inflation, Unsicherheiten) mit internen Überforderungen: ständige Umstrukturierungen, hybride Arbeit, zu viele Tools, zu wenig Klarheit.

Führungskräfte fragen sich: Warum wirken plötzlich alle so dünnhäutig?

Spoiler: Niemand ist plötzlich sensibel geworden. Viele sind systematisch überlastet.

Am Beispiel „Klimaangst“ zeige ich, wie externe Krisen ins Innere von Organisationen vordringen und was hilft, um Strukturen wirklich resilienter aufzustellen.

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1. Wenn Klimaangst zur organisationalen Belastung wird

Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologisches, sondern längst auch ein psychologisches Phänomen. Eine europaweite Erhebung der EU-OSHA (2024) zeigt:

47 % der 18- bis 35-Jährigen in Deutschland geben an, regelmäßig Zukunftsängste im Zusammenhang mit der Klimakrise zu empfinden.
Rund ein Drittel berichtet, dass diese Sorgen ihre berufliche Motivation und Konzentration negativ beeinflussen.

Das ist nicht banal. Denn obwohl sich Klimaangst meist nicht direkt in Meetings artikuliert, ist sie im Arbeitsalltag spürbar, vor allem in Form von:

  • innerer Erschöpfung trotz geringer Arbeitslast

  • abnehmender Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns

  • stiller Resignation, vor allem bei jüngeren Mitarbeitenden


Eine systematische Review der EU-OSHA zeigt:

Eco-Anxiety ist ein aufkommender Risikofaktor für arbeitsbezogene psychische Belastung, insbesondere in wissensbasierten, urbanen Arbeitsfeldern und bei Organisationen ohne erkennbare Nachhaltigkeitsstrategie.


Das bedeutet für Unternehmen:

Wer strukturell auf Stabilität setzt, aber kulturell keine Resonanz auf globale Unsicherheiten bietet, verstärkt unter Umständen unbewusst die emotionale Erschöpfung im Team.


2. Organisationen sind kein Schutzschild, aber sie sind ein Verstärker oder Puffer


Klimakrise, Pandemie, geopolitische Spannungen: all das kommt von außen. Aber was in den Teams passiert, wenn diese Themen innen aufschlagen, ist keine Naturgewalt. Es ist Strukturfrage.

Die aktuelle Forschung zur psychosozialen Sicherheit (PSC) zeigt:

Je klarer, transparenter und beteiligungsorientierter eine Organisation agiert, desto weniger erschöpfend wirken externe Belastungen auf das Team

(Ji et al., 2025; Bourgoin Boucher et al., 2024).


Und nein, hier geht es nicht um "HR für Snowflakes", sondern knallharte Resilienzarchitektur. Denn wenn niemand sagt, wie mit Unsicherheit umgegangen wird, setzt sich das diffuse Gefühl durch: „Wir sind diesem Druck ausgeliefert.“

Und dieser Zustand, also u.U. ein Gefühl von Ohnmacht, ist der perfekte Nährboden für Erschöpfung.



3. Was Unternehmen jetzt konkret tun können


Bitte nicht direkt ein Achtsamkeitsretreat buchen, denn es braucht viel mehr konkrete strukturelle Entscheidungen, die Unsicherheiten auffangen.

Externe Belastung

Interne Struktur

Wirkung

Klimaangst

Dialogräume + Beteiligung an Nachhaltigkeitsthemen

mehr Sinn, weniger stille Resignation

Hybridarbeit & Dauerstress

Klare Erreichbarkeitsregeln, Priorisierung, Rollenklarheit

psychische Entlastung, Fokus

Tech-Overload

Tool-Governance, weniger Tools, mehr Klarheit

weniger kognitive Belastung

Globale Krisen

Transparente Kommunikation + PSC-Messung

mehr Vertrauen, weniger Überforderung

Die gute Nachricht: Viele dieser Hebel kosten kein Geld, sondern "nur" Aufmerksamkeit.


4. Fazit: Klimaangst ist keine Privatsache


Organisationen müssen nicht die Welt retten (wobei sie es gern dürfen, das ist aber Thema für einen anderen Artikel). Aber sie müssen verstehen, dass die Weltlage längst in ihren Fluren angekommen ist, und zwar als psychischer Druck, der strukturell übersetzt werden will.


Deshalb: Statt zu hoffen, dass es „besser wird“, lohnt es sich, jetzt Strukturen zu schaffen, die Menschen nicht zusätzlich ermüden, sondern uns Halt geben.




European Agency for Safety and Health at Work. (2024). Eco-anxiety and its implications for occupational safety and health. EU-OSHA. https://osha.europa.eu/sites/default/files/documents/Eco-anxiety-OSH-emerging-risks_EN.pdf


Ji, T., Loh, M. Y., de Jonge, J. E., Peeters, M. C. W., Taris, T. W., & Dollard, M. F. (2025). Are you feeling safe? An investigation of psychosocial safety climate in the relations of job characteristics and employee exhaustion and engagement. Industrial Health, 63(1), 3–13. https://doi.org/10.2486/indhealth.2024-0027


Bourgoin Boucher, K., Ivers, H., & Biron, C. (2024). Mechanisms explaining the longitudinal effect of psychosocial safety climate on work engagement and emotional exhaustion during the COVID‑19 pandemic. IJERPH, 21(6), 698. https://doi.org/10.3390/ijerph21060698

 
 
 

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