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„Ihr benehmt euch ja wie im Kindergarten!“

  • Autorenbild: Nicole Gerecht
    Nicole Gerecht
  • 15. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit

Ein Satz, der in Besprechungen durchaus fallen könnte. Mindestens aber wurde er schon öfter so gedacht.

Und ganz ehrlich: Er trifft manchmal ins Schwarze. Nur dass die Parallelen zwischen Kindergarten und Unternehmen tiefer reichen, als viele Führungskräfte wahrhaben wollen. Denn viele Konzepte, die wir heute als „Führungstheorien“ kennen, stammen ursprünglich aus der Pädagogik und Psychologie. Der Unterschied? Früher ging es um Kinder, heute um Erwachsene mit Jobtitel.



Von der Kindergruppe zum Teammeeting


Werfen wir einen Blick zurück:

Bereits in den 1930ern untersuchte der Sozialpsychologe Kurt Lewin Führungsverhalten in Gruppen. Seine berühmte Iowastudie fand mit Kindergruppen statt und legte den Grundstein für die Unterscheidung zwischen autoritärem, demokratischem und laissez-faire-Stil.

Das Ergebnis war eindeutig: Kinder unter autoritärer Leitung arbeiteten zwar disziplinierter, waren aber weniger kreativ und unabhängiger Meinung.


Fun Fact: Ersetze „Kinder“ durch „Mitarbeitende“ und du hast die Essenz vieler moderner Führungsdebatten.


Maslow, Herberg & Co.: Pädagogik mit anderem Namen


Auch die Motivationstheorien der Betriebswirtschaftslehre klingen verdächtig nach Pädagogik im Kostümchen.


Maslows Bedürfnispyramide? Im Kern ein Entwicklungsmodell: Erst wenn Grundbedürfnisse gedeckt sind, kann Lernen, Wachsen und Selbstverwirklichung stattfinden.

Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie? Eine Übersetzung der Erkenntnis, dass äußere Belohnung („Hygienefaktoren“) kein Ersatz für innere Motivation („Motivatoren“) ist; also Lob, Sinn, Anerkennung.


Erziehungswissenschaftlich gesprochen: Belohnung ist nicht gleich Begeisterung.



Führung als Lernbegleitung


Mit Hersey und Blanchard kam schließlich die „situative Führungstheorie“ ins Spiel, und damit der wohl direkteste Import aus der Pädagogik. Ihr Modell unterscheidet zwischen Mitarbeitenden mit unterschiedlicher „Reife“. Wer noch unerfahren ist, braucht klare Anleitung. Wer selbstständig denkt und handelt, braucht Freiraum.

Wer unterrichtet hat, kennt das Prinzip: Du erklärst Erstklässler:innen nicht Integralrechnung und du micromanagst keine Masterstudierenden.


Gute Führung erkennt also, wo jemand steht und wie viel Anleitung oder Vertrauen gerade richtig ist.



Die Schule der Arbeit


In Wahrheit sind Organisationen seit jeher pädagogische Systeme:

  • Sie definieren Lernziele („KPIs“).

  • Sie bewerten Leistung („Feedbackgespräche“).

  • Sie belohnen Fortschritt („Beförderungen“).

  • Und sie bestrafen Abweichungen („Abmahnungen“).


Der Unterschied liegt in der Freiwilligkeit, nun.. und im Gehalt. Doch die Dynamiken bleiben erstaunlich ähnlich: Menschen wollen gesehen, gefordert und verstanden werden. Und sie reagieren auf Kontrolle, Ungerechtigkeit oder fehlende Anerkennung genau so wie Kinder: mit Rückzug, Trotz oder Anpassung.



Erziehen oder Entwickeln?


Das eigentliche Problem beginnt dort, wo Führung paternalistisch wird. Oder klarer: wenn Erwachsene andere Erwachsene „führen“ wollen, ohne ihre Autonomie ernst zu nehmen.

Pädagogik im besten Sinn bedeutet: Begleiten, nicht bevormunden.

Führung im besten Sinn bedeutet dasselbe.

Beides verlangt, das Gegenüber als denkendes, fühlendes, lernfähiges Wesen zu betrachten, nicht als Ressource, die man „motiviert“.


Oder um es mit Lewin zu sagen:

„Nothing is as practical as a good theory“

Vor allem, wenn sie uns daran erinnert, dass gute Führung weniger mit Kontrolle, sondern mehr mit Vertrauen, Beziehung und Entwicklungsbegleitung zu tun hat.



Fazit: Führung braucht Pädagogik, aber auf Augenhöhe


Vielleicht sollten wir also aufhören, „Kindergarten“ als Beleidigung zu benutzen. Denn wer es schafft, in einem Team dieselbe Lernfreude, Offenheit und Neugier zu wecken wie in einem guten Kindergarten, führt ziemlich erwachsen.

 
 
 

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