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Leise Reflexion wird übersehen, während laute Unschärfe beklatscht wird.

  • Autorenbild: Nicole Gerecht
    Nicole Gerecht
  • 7. Juli
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Juli

Dieser Blogbeitrag ist "no news", sondern viel mehr eine Einladung; eine Erinnerung.


Die stille Kraft


Leise Reflexion wird übersehen, während laute Unschärfe beklatscht wird. Diesen Satz trage ich seit Wochen mit mir herum. Als Gedanke, als Beobachtende und manchmal auch als Ärger.

Ich erlebe es immer wieder, da ist es erst einmal egal, ob in Meetings oder in Strategieprozessen. Wer laut spricht, wirkt entschlossen. Wer differenziert denkt, wird schnell als unklar wahrgenommen.

Und es wirkt immer wieder auf mich ein: die Aufmerksamkeit folgt dem Volumen, nicht der Substanz.


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Ich kenne beide Seiten.


Ich habe mich selbst oft zurückgenommen.

Vielleicht anerzogen. Manchmal aus Respekt. Selten aus Demut. Und zu häufig einfach deshalb, weil ich zuerst verstehen wollte, bevor ich spreche. Aber in genau diesen Momenten habe ich erlebt, wie andere mit halbfertigen Aussagen Räume besetzen, die sie mit Redundanz füllten, nicht mit Klarheit.

Was mich daran stört, ist nicht das Lautsein. Laut kann mutig sein, notwendig, ganz sicher auch befreiend. Was mich stört, ist die Tatsache, dass wir Lautstärke mit Führungsstärke verwechseln. Differenzierung, vielleicht auch Hand in Hand mit einem Zögern, gilt als Mangel an Klarheit, dabei ist sie ein Zeichen von Tiefe. Und dass genau dadurch Stimmen überhört werden, die etwas beizutragen hätten.



Es ist kein individuelles Problem.


Es ist ja geradezu ein systemischer Reflex:

Wir arbeiten in Strukturen, die Effizienz über Tiefe stellen.

Wir moderieren Meetings mit Timeboxen, nicht mit echten Fragen.

Wir hören denen zu, die sofort etwas sagen, viel zu selten aber denen, die gerade noch denken.

Tiefe braucht Zeit. Und Stille. Beides ist in der heutigen Arbeitswelt oft Mangelware.



Was wäre, wenn wir anders hinhören würden?


Wenn wir denen Raum geben, die nicht sofort eine Antwort haben, aber eine gute Frage?

Wenn wir Menschen nicht nach ihrem Redeverhalten beurteilen, sondern nach der Klarheit ihres Denkens?

Vielleicht würden wir dann aufhören, uns an Lautstärke zu orientieren und anfangen, an Wirksamkeit zu messen.


Ich habe keine endgültige Antwort. Aber eine Einladung:

Wem hörst du zu und wer bleibt für dich unsichtbar?

Und welche deiner eigenen Gedanken hast du zuletzt verschwiegen, obwohl sie wichtig gewesen wären?


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Nachtrag, dank einer Unterhaltung auf Linkedin:

Je größer das System, desto wichtiger wird es, dass jemand die Verantwortung übernimmt, innezuhalten.


Komplexität nicht als Gefahr, sondern als Reifezeichen kommunizieren..

Menschen mit Tiefgang behutsam sichtbar machen, auch wenn sie sich selbst nicht ins Rampenlicht drängen (es ja sogar eher scheuen!). Ich spreche in solchen Fällen gern direkt an (oft spürt man als Führungskraft ja, wer da im Hintergrund wertvolle Perspektiven trägt, ohne sich vorzudrängen).

Vielleicht liegt wirksame Führung heute weniger in großer Präsenz und mehr im gezielten Sichtbarmachen dessen, was sonst verloren geht.

 
 
 

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